JAGDFIEBER
Kolumne FRANKFURTER RUNDSCHAU 7./8. Juni 2008
Jagdfieber
Hatz auf Kurt Beck und kein Ende. Schlagen wir nach bei Bild,wer Kanzler werden soll: Da war doch was mit Beckenbauer...
VON KLAUS STAECK
Oberflächlich betrachtet sind die Sozialdemokraten und ihr zäher Vorsitzender derzeit zu beneiden. Wer sonst erfährt so viel Zuwendung und fürsorgliche Belagerung? Das zählt in der Mediendemokratie. Über alle Parteigrenzen hinweg machen sich alle Sorgen. Wollen nichts als helfen. Machen sich ausufernd Gedanken über den besten aller Kandidaten, mit dem die älteste aller Parteien mit Aussicht auf den größtmöglichen Erfolg in die Mutter aller Wahlschlachten 2009 ziehen soll.
Natürlich sind all die Rat-Schläge Heuchelei pur. Wünschen sich die falschen Samariter nichts sehnlicher als eine möglichst totale Niederlage der SPD, mit welchem Frontmann auch immer. Schließlich gilt es, eine eigene Scharte auszuwetzen. Hat es doch 2005 trotz aller medialen Begleitung von FAZ bis taz für Schwarz-Gelb nicht gereicht. Vergessen die kurze Mea-culpa-Phase mit dem Eingeständnis, man habe zu einseitig Partei ergriffen.
Es bedurfte nicht erst der Nominierung einer eigenen Kandidatin fürs höchste Staatsamt, um den Beginn des Wahlkampfes auszurufen. Der ist längst im Gange. Mit dem Kampfbegriff Provinz sollte vor allem Kurt Beck früh erledigt werden. Ist er doch der letzte Sozi, der in seinem Bundesland mit absoluter Mehrheit regiert. Unterstützt von der Koalition der Willigen in seiner eigenen Partei jagen nicht nur die einschlägigen Medien den Mann aus der Pfalz.
Einer aus der Schar der fröhlichen Jäger verplapperte sich im ARD-Morgenmagazin, indem er zugab, natürlich jage man Beck. Aber der Genosse steht weiter im Ring. Will partout den Weg nicht freimachen für das nächste Beutetier, das längst ausgemacht ist.
Eines macht jedoch stutzig. Wäre Beck tatsächlich eine so krasse Fehlbesetzung, müssten ihn seine Mitbewerber geradezu unter Naturschutz stellen. Denn was kann man sich Besseres wünschen als einen schwachen Gegenkandidaten, der die Wahl zur reinen Formsache werden lässt?
Möglicherweise ist der SPD bei der Wahl ihres Vorsitzenden ein gravierender Fehler unterlaufen, indem sie die Medienvertreter in den Wahlvorgang nicht eingebunden hat. Ein großer Teil dieser Zunft möchte nicht mehr nur einfach beobachten und berichten, sondern aktiv mitbestimmen. Vorbild dieser Entwicklung war und ist Bild mit dem großen Herzen für Kinder und andere Unmündige.
Anfang März versuchte das Massenblatt mit dem Genossen Müntefering über die Bande zu spielen und orakelte: "Sein politisches Schicksal entscheidet sich in den nächsten 48 Stunden!" Es war nicht die erste Anti-Beck-Attacke und viele werden folgen. Schließlich haben die Dirigenten des Bild-Parlaments in Sachen Kandidatensuche einschlägige Erfahrungen.
Hat sich doch ihr Wahlvolk schon mal als überaus mündig erwiesen und per Bild-Ted als Wunschkanzler Franz Schönhuber, damals Chef der rechtsradikalen Republikaner, erwählt. Bild beherrscht noch eine andere Spielart. So wurde vor der vorigen Bundestagswahl der Fußballtrainer Christoph Daum mit der Forderung ins Spiel gebracht: "Franz Beckenbauer soll Bundeskanzler werden". Ein Kabinett mit den Steuerverweigerern Michael Schumacher und Boris Becker wurde gleich mitgeliefert.
Auch beim Thema Bundespräsidentenwahl hätte die SPD einen bequemeren Weg gehen können, wäre sie der Forderung des Bild-Schwesterblatts gefolgt, das den RTL-Entertainer Günter Jauch für das höchste Amt im Staate vorschlagen ließ.
Copyright © FR-online.de 2008
Erscheinungsdatum 07.06.2008
Jagdfieber
Hatz auf Kurt Beck und kein Ende. Schlagen wir nach bei Bild,wer Kanzler werden soll: Da war doch was mit Beckenbauer...
VON KLAUS STAECK
Oberflächlich betrachtet sind die Sozialdemokraten und ihr zäher Vorsitzender derzeit zu beneiden. Wer sonst erfährt so viel Zuwendung und fürsorgliche Belagerung? Das zählt in der Mediendemokratie. Über alle Parteigrenzen hinweg machen sich alle Sorgen. Wollen nichts als helfen. Machen sich ausufernd Gedanken über den besten aller Kandidaten, mit dem die älteste aller Parteien mit Aussicht auf den größtmöglichen Erfolg in die Mutter aller Wahlschlachten 2009 ziehen soll.
Natürlich sind all die Rat-Schläge Heuchelei pur. Wünschen sich die falschen Samariter nichts sehnlicher als eine möglichst totale Niederlage der SPD, mit welchem Frontmann auch immer. Schließlich gilt es, eine eigene Scharte auszuwetzen. Hat es doch 2005 trotz aller medialen Begleitung von FAZ bis taz für Schwarz-Gelb nicht gereicht. Vergessen die kurze Mea-culpa-Phase mit dem Eingeständnis, man habe zu einseitig Partei ergriffen.
Es bedurfte nicht erst der Nominierung einer eigenen Kandidatin fürs höchste Staatsamt, um den Beginn des Wahlkampfes auszurufen. Der ist längst im Gange. Mit dem Kampfbegriff Provinz sollte vor allem Kurt Beck früh erledigt werden. Ist er doch der letzte Sozi, der in seinem Bundesland mit absoluter Mehrheit regiert. Unterstützt von der Koalition der Willigen in seiner eigenen Partei jagen nicht nur die einschlägigen Medien den Mann aus der Pfalz.
Einer aus der Schar der fröhlichen Jäger verplapperte sich im ARD-Morgenmagazin, indem er zugab, natürlich jage man Beck. Aber der Genosse steht weiter im Ring. Will partout den Weg nicht freimachen für das nächste Beutetier, das längst ausgemacht ist.
Eines macht jedoch stutzig. Wäre Beck tatsächlich eine so krasse Fehlbesetzung, müssten ihn seine Mitbewerber geradezu unter Naturschutz stellen. Denn was kann man sich Besseres wünschen als einen schwachen Gegenkandidaten, der die Wahl zur reinen Formsache werden lässt?
Möglicherweise ist der SPD bei der Wahl ihres Vorsitzenden ein gravierender Fehler unterlaufen, indem sie die Medienvertreter in den Wahlvorgang nicht eingebunden hat. Ein großer Teil dieser Zunft möchte nicht mehr nur einfach beobachten und berichten, sondern aktiv mitbestimmen. Vorbild dieser Entwicklung war und ist Bild mit dem großen Herzen für Kinder und andere Unmündige.
Anfang März versuchte das Massenblatt mit dem Genossen Müntefering über die Bande zu spielen und orakelte: "Sein politisches Schicksal entscheidet sich in den nächsten 48 Stunden!" Es war nicht die erste Anti-Beck-Attacke und viele werden folgen. Schließlich haben die Dirigenten des Bild-Parlaments in Sachen Kandidatensuche einschlägige Erfahrungen.
Hat sich doch ihr Wahlvolk schon mal als überaus mündig erwiesen und per Bild-Ted als Wunschkanzler Franz Schönhuber, damals Chef der rechtsradikalen Republikaner, erwählt. Bild beherrscht noch eine andere Spielart. So wurde vor der vorigen Bundestagswahl der Fußballtrainer Christoph Daum mit der Forderung ins Spiel gebracht: "Franz Beckenbauer soll Bundeskanzler werden". Ein Kabinett mit den Steuerverweigerern Michael Schumacher und Boris Becker wurde gleich mitgeliefert.
Auch beim Thema Bundespräsidentenwahl hätte die SPD einen bequemeren Weg gehen können, wäre sie der Forderung des Bild-Schwesterblatts gefolgt, das den RTL-Entertainer Günter Jauch für das höchste Amt im Staate vorschlagen ließ.
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Erscheinungsdatum 07.06.2008
klaus.staeck - 16. Jun, 00:31
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