Dienstag, 11. November 2008

Bankrotterklärung


Kolumne Frankfurter Rundschau 17.10.2008

Das amerikanische Modell des Kapitalismus ist gestorben", beschreibt der Chefredakteur von Newsweek International die derzeitige Lage. Tatsächlich? Haben doch US-Finanzminister und Notenbank, abgesegnet von Senat wie Kongress, sofort mit Milliarden den todkranken Patienten wieder reanimiert. Etwas anderes blieb ihnen auch nicht übrig, soll nicht das gesamte Wirtschaftssystem kollabieren. Die turbokapitalistischen Regierungen in aller Welt stehen vor einem selbst verschuldeten Chaos, das sie mit ihrem Deregulierungs- und Privatisierungswahn heraufbeschworen haben. Und wieder einmal werden die Bürger zur Kasse gebeten und nicht die Banker. Warner hat es genug gegeben. Sie wurden verlacht und verspottet. Dagegen fordert nun ein neuer Typ von Wendehals, der gestern noch die Selbstheilungskräfte des Marktes beschwor, plötzlich die Verstaatlichung wenigstens der Banken.

Schon seit Jahren schalten und walten die Spekulanten auf dem Börsenparkett. Ohne Regeln und Sanktionen spekuliert es sich halt ungeniert. Da die Finanzjongleure darauf vertrauen können, dass am Ende der Steuerzahler für alle Verluste aufkommt, wird eben noch riskanter gepokert. Viele Börsianer sehen die Krise deshalb auch relativ gelassen, weil sie mit Sicherheit auf das Rettungspaket spekulieren können. "Alles andere wäre politischer Selbstmord", sagt der Chefvolkswirt der Commerzbank unverblümt. Solange das System so bleibt, wie es ist, müssen sie sich kaum Sorgen machen.

Wenn es nur bei markigen Sprüchen der Politiker bleibt, befinden sich die Bankrotteure in einer klassischen Win-win-Situation. Manche Manager werden für ihre katastrophale Misswirtschaft auch noch fürstlich belohnt. So der Chef des Bankhauses Merrill Lynch mit geschätzten 160 Millionen Dollar, nachdem er Milliarden im ungebremsten Kapitalstrom versenkt hatte. Er war weder der Erste, noch wird er der Letzte sein, der mit einem goldenen Handschlag die Bühne verlässt.

Das neoliberale Wirtschaftsmodell von Macht und Gier befindet sich nicht in einer Krise, es ist am Ende. Wenn selbst der Chef der Deutschen Bank nach dem Staat ruft, ist nicht nur mit den Krediten etwas faul, sondern mit dem ganzen System. Wenn jetzt der Kapitalismus seine eigenen Kinder frisst, reicht es nicht, die Bürger zerknirscht auf harte Zeiten einzustimmen und ständig "das wahnsinnige Renditestreben" anzuprangern. Merkel wie Steinbrück müssen endlich von den steuerlich geförderten und vermeintlich innovativen Finanzprodukten wirklich Abschied nehmen, entschlossener den Kampf gegen Steueroasen aufnehmen, die Schuldigen am Bankrott persönlich haftbar machen und nicht wieder die vielen für die wenigen zahlen lassen.

Die Linke sollte die Backen nicht zu sehr aufblasen, haben doch ihre Altkader schon einmal eine Volkswirtschaft ruiniert. Gefordert ist die Regierungspolitik. Nicht nur, indem sie jetzt die maroden Geldinstitute alimentiert, sondern rechtzeitig reglementiert. Alles andere ist eine Bankrotterklärung auch des Staats vor den Bürgern und ein weiterer Sieg für die Risikokapitalisten. Bevor also weltweit noch mehr Banken und Versicherungen insolvent werden, müssen die G 7-Staaten den Kasino-Kapitalisten Handschellen anlegen. Die hecken sicher längst den nächsten Coup aus, solange sie freie Hand haben.

Klaus Staeck


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